Herr Goosen aus dem Innenministerium in Pretoria schreibt nicht mehr. Einmal im Quartal hatte er mich per E-Mail darüber informiert, dass mein Antrag auf Verlängerung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zur Bearbeitung weitergeleitet worden sei. Das machte Mut.
Aber nun herrscht Schweigen. Sogar sein Faxgerät hat Herr Goosen abgestellt. Und mein Visum ist hoffnungslos überzogen. Am Flughafen muss ich jedes Mal 150 Euro löhnen, Frau und
Kinder auch. Sogar unser Baby, das seine Geburt in Südafrika nicht verhindern konnte. Mit dem Einwanderungsoffizier am Flughafen ließ sich nicht diskutieren: Er könne nichts für seinen Kollegen Goosen in Pretoria und jetzt müsse er sich um die Lady aus Sambia kümmern, die mit zwölf geschmuggelten Drogenkapseln im Magen und reichlich grün im Gesicht neben mir stand.
Helfen könne nur Harrison Street. Jeder, der das sechsstöckige Home-Affairs-Büro in Downtown Johannesburg jemals betreten hat, erschaudert bei dem Namen. Harrison steht für Schlachten, die nicht zu gewinnen sind. Schon früh um halb fünf stehen sie an, manche übernachten vor der Tür, geschätzte drei Millionen Simbabwer, die sich bis Jahresende neu registriert haben müssen. Auch Nigerianer, Somalier, Kongolesen stehen hier. Und ein, zwei unkundige Weiße, die auch ein Anliegen haben. Mit einer Notlüge mogelt man sich an Schlange und Sicherheitsdienst vorbei ins Gebäude. Steigt hinauf in den vierten Stock. Der Lift geht nicht. Er war schon beim letzten Antrag 2007 kaputt.
Schnaufend und ächzend kommen sie oben an. Junge, Alte, Dicke, Dünne. Marathonläufer,
Herzpatienten. Keuchend, manche dem Kollaps nah. Aber die Tür zur Heiligen Schalterhalle ist fest verschlossen. Davor steht eine schwitzende Menge. Wem Durchlass gewährt wird, entscheidet ein finsterer Typ mit Sonnenbrille. Keiner schafft es auf Anhieb. Manche sehe ich drei Mal die Treppe hoch- und runterwetzen. Immer fehlt irgendein Formular.
Mir gelingt der Durchmarsch am zweiten Tag. Nach nur dreieinhalb Stunden bin ich am Schalter. Stammle den Beamten, um Bonuspunkte zu erschleimen, auf Zulu an. Der Mann heißt Sonnenschein, trägt lustige Dreadlocks und scheint sich über die beigebrachten Pässe und Kopien ehrlich zu freuen. Nur eine Kleinigkeit fehlt, eine Auflistung der guten Gründe, die für meine Visum-Überschreitung ursächlich seien. Ganz formlos das Schreiben, von zwei Zeugen unterzeichnet und notariell beglaubigt. Eine eidesstattliche Erklärung also. Sei ja ganz leicht zu besorgen,
pandora silber, bei der nächsten Polizeiwache oder einem Notar.
Schon höre ich Mr. Sunshine gutgelaunt “Auf Wiedersehen” sagen und lasse mich vom Türsteher zurück in die schwitzende Menschentraube schieben. Jetzt sehen sie mich die vier Stockwerke hinuntertrotten. Geschlagen, niedergeschlagen, ohne jede Schlagkraft. Fühlt es sich so etwa an, Afrikaner zu sein?